Wohl nur kurzes Aufatmen bei den Züchterinnen und Züchtern von gefährdeten Schaf-, Ziegen- und Rinderrassen zur Blauzungenkrankheit


 

Pressemitteilung (GEH-Witzenhausen, 10. September 2008)                                                            Fotos: Antje Feldmann 


Seit der in diesem Frühjahr großflächig durchgeführten Impfung der Wiederkäuer Rind, Schaf und Ziege gegen die Blauzungenkrankheit sind keine weiteren Todesfälle in Beständen alter und gefährdeter Haustierrassen aufgetaucht. Nach den schockierenden Gesamtzahlen aus den Jahren 2006 und 2007 geht nun ein Aufatmen durch die Reihen aller Tierhalter. Im Jahr 2007 wurden zum Beispiel bei allen deutschen Schafbeständen 7530 Fälle bestätigt, im Jahr 2008 sind dies bisher nur 51 Fälle.

So können nun auch Thomas Schumacher und Julia Dewenter aus Kleinfischbach im Bergischen Land wieder mit Freude und Zuversicht ihre Herde von aktuell 130 Bentheimer Landschafen auf der Weide besuchen und sich an dem guten Lämmerjahrgang erfreuen. Sie haben seit Ausbruch der Blauzungenkrankheit im Jahr 2006 bereits 43 Tiere verloren, ca. 100 Tiere waren erkrankt, mit zum Teil heftigem Krankheitsverlauf. Massive Kritik gab es aus den Reihen der Tierhalter und der Tierzuchtorganisationen, dass der neu zu entwickelnde Impfstoff nicht schneller verfügbar war, da die rechtlichen Rahmenbedingen nicht zeitnah geschaffen wurden. Wie die Krankheit sich ohne Impfung weiter ausbreiten würde, ist beim Blick über die Ländergrenzen hinweg nach Frankreich zu sehen, wo in diesem Jahr bereits über 10 000 Fälle gemeldet wurden. Dort gibt es auch aktuell noch große Regionen, in denen noch nicht gegen die Stiche der virusverbreitenden Mücken geimpft wird. So sind die Halter der gefährdeten Schafrasse Rouge de Roussillon im Süden Frankreichs sehr besorgt, was die Überleben ihrer Schafe betrifft. Dies kann auch Folgen für diese Rasse in Deutschland haben, denn bei der Erhaltung sind die beiden Populationen durch Tiertausch langfristig aufeinander angewiesen.

Auch in Deutschland ist in Hinblick auf die Blauzungenkrankheit noch keine Entwarnung in Sicht, breiten sich derzeit weitere Serotypen wie Typ 1 oder 4 in Europa aus, gegen die bisher keine Impfung vorgesehen ist. Zudem beschäftigt viele Tierhalterinnen und Tierhalter die Frage, inwieweit es durch den derzeit ja noch nicht zugelassenen, aber bereits eingesetzten Impfstoff zu Nebenwirkungen bei den Tieren kommen könnte. Zudem sieht es so aus, dass die sehr aufwendige Impfung jährlich bei allen Tieren durchgeführt werden muss. Auch in Deutschland sind 2008 nicht alle Tiere geimpft und aus der Konsequenz heraus, dass es bei den Tierseuchenkassen keine Entschädigungen mehr für an Blauzunge verendeten Tieren gibt, werden häufig diese Fälle nicht zur Anzeige gebracht und auch keine Untersuchungen mehr gemacht. Die Dunkelziffer der Blauzungentodesfälle dürfte in Deutschland dadurch deutlich höher liegen. Es ist zu wünschen, dass schnelles und unbürokratisches Handeln weiterhin zu einer Eindämmung der Blauzungenkrankheit führt, damit zig-Tausende Tiere in ganz Europa gerettet werden können.

Die Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH) mit Sitz im hessischen Witzenhausen befasst sich seit 1981 mit der Erhaltung von 104 gefährdeten Nutztierrassen, die auf der Roten Liste der GEH stehen. Über 2200 Mitglieder unterstützen die Arbeit der GEH, die die Schwerpunkte auf Koordination der Tierhalter, Öffentlichkeitsarbeit, internationale Zusammenarbeit und Projekte mit alten Rassen legt. Besonderer Höhepunkt ist jeweils die Ernennung der gefährdeten Nutztierrasse des Jahres – im Jahr 2008 ist das die Bronzepute, deren Gesamtbestand bei lediglich 800 Tieren liegt. Diese Puten haben ihre Vorzüge in der Freilandhaltung, wo sie sich als fleißige Futtersucher von Pflanzenteilen, Würmern, Insekten und Kleinstlebewesen ernähren. Als hervorragende Brüterinnen ziehen Puten auch Küken anderer Tierarten wie Hühner oder Enten auf. Das Fleisch von im Freiland gehaltenen Puten ist überaus schmackhaft und gilt als Delikatesse. Es wäre ein herber Verlust für die Menschheit, wenn Nutztierrassen aussterben, die sich über Jahrhunderte hinweg an die lokalen Bedingungen angepasst haben.

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