Die Gefährdete Nutztierrasse des Jahres 2003: 
Gefährdete Haus- und Hofhunde

Von Spitzen und Pinschern
, Christel Simantke


Dtsch. Pinscher, Foto: Hertzsch Mittelspitz, Foto: Christel SimantkeDtsch. Pinscher, Welpen  Foto: HertzschDtsch. Pinscher Duffyco`s Filiss, Foto: Hertzsch Großspitze, Christa Raddatz


Spitze (Groß- und Mittelspitz) und der Deutsche Pinscher stellen als die Gruppe der Haus- und Hofhunde die Gefährdete Nutztierrasse des Jahres 2003 dar. Im Vergleich zu den bisher in der Roten Liste der GEH geführten Altdeutschen Hütehunde sind es nach dem VDH (Verband für das Deutsche Hundewesen) und der FCI (Federation Cynologique Internationale) anerkannte Rassehunde. Der Großspitz wurde in die Kategorie „Extrem gefährdet“, der Mittelspitz in „stark gefährdet“ und der Deutsche Pinscher in der Rubrik „gefährdet“ aufgenommen. Beim Großspitz, insbesondere beim schwarzen Farbschlag, stehen fast nur noch miteinander verwandte Hunde zur Verfügung. Beide Rassen haben (hatten) einen engen Bezug zur Landwirtschaft und eignen sich heute in vielfältiger Weise für Erfordernisse auf Bauernhöfen und Ansprüche hundefreundlicher Familien.  


Die Spitze  

Spitzartige Haushunde sind die älteste Form des Haushundes in Europa und eine der ältesten Rassen der Welt. Im Mittelalter bis weit in das 20. Jahrhundert hinein waren Spitze vom täglichen Leben auf dem Bauernhof nicht wegzudenken. Sie zeigen keine Neigung zum Streunen und sind als ausgezeichnete Wächter unbestechlich. Die hohen Jagdherren sahen Spitze gerne bei „ihren“ Bauern, da diese nicht nur von sich aus keine Jagdleidenschaft zeigten, sondern sich auch zum Jagen nicht ausbilden ließen. Hingegen berichtet ZIMEN (1992), daß es in Skandinavien Spitze gab, die sowohl zum Wachen als auch zur bäuerlichen Jagd eingesetzt wurden. Nach KRÄMER (2002) bewährte sich der Großspitz auch als „Hütespitz“ für die Nutztiere des Hofes, wobei hier eher das „Behüten und Bewachen“ von Haus, Hof und Vieh gemeint sein dürfte und weniger die klassische Hütearbeit im Feld. Ratten und Mäuse werden vom Spitz nicht geduldet und werden verfolgt. Im Vergleich zum Deutschen Pinscher waren Spitze um die Jahrhundertwende noch weit verbreitet: „Wir brauchen nur einen Schritt auf die Straße zu tun, so wird es sicher nicht lange dauern, daß wir einen spitzartigen Hund zu sehen bekommen, dies mag nun sein wo es will, von Petersburg angefangen, bis Italien hinab“ (STREBEL, 1904).  Diese Auffassung wird dennoch nicht überall geteilt; so beklagt u. a.  TH. HERING in seiner 1875 erschienenen Publikation, dass die Blütezeit der „ächten, guten Spitzer“, vor allem als unverzichtbare Begleiter der Fuhrwerke, vergangen sei. 

Der weiße Großspitz war auf Grund seiner eleganten Erscheinung eher in vornehmen und gutbürgerlichen Gesellschaftskreisen zu finden. An den Küsten der Nord- und Ostsee war ebenfalls weitgehend der weiße Spitzschlag zu finden. Vor allem in Baden-Württemberg hielten sich insbesondere die schwäbischen Weinbauern schwarze Großspitze, deren typische Aufgabe es war, die reifen Trauben in den Weinbergen vor vier- und zweibeinigen Naschern zu schützen. Dadurch erlangte der „Weinbergspitz“ in Süddeutschland Bedeutung.  Der kleinere Mittelspitz stellt die klassische Spitzgröße dar, die wohl in früheren Jahrhunderten der Standard war. Er war bei Handwerkern, Fuhrleuten, Kleinbauern und beim einfachen Volk vor allem als Wachhund verbreitet (Verein für Deutsche Spitze, 1998). Auch Wilhelm Busch greift für seine Witwe Bolte auf einen weißen Mittelspitz zurück. Heute sind Groß- und Mittelspitze ausgesprochene Haus- und Familienhunde und ideale Wächter für Haus und Hof. Die klassischen Haus- und Hofbewacher bellen zwar, beißen aber nicht (ZIMEN, 1992). Ohne aggressiv zu sein teilt der Spitz jede mögliche Gefahr mehr oder weniger lautstark mit. Groß- wie Mittelspitz sind bei langen Wanderungen unermüdliche Begleiter und auch im Hundesport (Agility) sind sie begeistert dabei. Groß- und Mittelspitz werden als intelligent, gelehrig, lebhaft, geflügelfromm, umgänglich, geduldig mit Kindern, robust und witterungsunempfindlich beschrieben. Als Hund, der frei zwischen Haus und Hof wählen kann, eignet sich der Spitz auf Grund seiner Reviertreue und nicht vorhandener Jagdleidenschaft in idealer Weise. Das dem Spitz anhaftende Image des „Kläffers“ stammt aus der Zeit, in der die Hunde frustriert an der Kette lebten mußten– und die hoffentlich bald nicht nur für Spitze vorbei ist. Spitze sind meist recht langlebig und gelten als wenig krankheitsanfällig.

Großspitz

Schulterhöhe:        42 – 50 cm

Farbe:                  schwarz, weiß, braun (wahrscheinlich ausgestorben)

Wurfzahlen:
Großspitz weiß:      von 1994 bis 2002: 177 Welpen, Durchschnitt: 19,6 Welpen/Jahr. 
                           In 2002 sind noch 2 Würfe geplant.
 
Großspitz schwarz: von 1994 bis 2002: 36 Welpen, Durchschnitt: 4 Welpen/Jahr.

Zuchttiere:            5 Hündinnen, 6 Rüden

In Deutschland gibt es nur noch eine aktive Züchterin von schwarzen Großspitzen! Insgesamt existieren eine Zuchthündin und 2 Zuchtrüden! Zur Rettung des Genpools werden momentan im Deutschen Spitzverein die Verpaarung von schwarzen mit weißen Großspitzen erlaubt. Bisher fiel aus dieser Kombination ein Wurf in der Schweiz, leider nur mit einem schwarzen Rüden. Für schwarze Großspitzwelpen sollten insbesondere Käufer gesucht werden, die mit diesen Hunden auch gezielt züchten möchten.

Für weiße Großspitze gibt es momentan noch 4 Züchter, mit 4 Zuchthündinnen und 4 Zuchtrüden. Ebenfalls eine beängstigend schmale Basis zur Erhaltung und Verbreitung der Rasse! 

Mittelspitz

Schulterhöhe: 30 – 38 cm

Farbe:           schwarz, weiß, braun, orange, graugewolkt, neufarben

Wurfzahlen:    von 1997-2001: 168 Welpen

Zuchttiere:     25 Hündinnen, 10 Rüden

 

 


Der Deutsche Pinscher

Seit Beginn der Rassehundezucht in Deutschland vor rund 100 Jahren haben sich die Pinscher kaum verändert. Schon H.G. REICHENBACH berichtet schon 1836 von dem „glatten Pinscher“ die als „nette Hunderasse“ in Deutschland den Mops verdrängt. Bei BECKMANN (1894) werden die glatt- und die rauhaarigen Pinscher beschrieben und bereits hier sind die glatthaarigen Pinscher wesentlich seltener als die rauhaarigen Geschwister (beide Varianten konnten in einem Wurf fallen). Hätte sich in den 50er Jahren nicht Herr Werner Jung, um die Erhaltung der Rasse bemüht und auch zu einer neuen Blüte verholfen, wären diese ehemaligen Stallhunde heute nicht mehr vorhanden. Nach achtjähriger Pause wurde in 1958 wieder der 1. Wurf gemeldet. Noch heute werden die mittlerweile getrennten Rassen gemeinsam im „Pinscher – Schnauzer-Klub“ geführt. Zu den Pinschern gehört ebenfalls der extrem seltene Affenpinscher, der jedoch in seiner Funktion als reiner Begleithund nicht in der Roten Liste der GEH geführt wird.

Über die genaue Herkunft des Deutschen Pinschers weiss man wenig. Bereits seit dem vorletzten Jahrhundert wird darüber gestritten, ob Pinscher und Schnauzer von englischen Terriern abstammen oder umgekehrt. Pinscher wurden gerne zur Vertilgung von Raubzeug (Ratten und Mäuse) gehalten und als Stall- und Kutschenhunde um die Jahrhundertwende auf bald jedem Hof anzutreffen. Daher stammen auch Lokalbezeichnungen  wie „Stallpinscher“ und „Rattler“, die zunächst wenig anziehend klingen, doch eigentlich eine Auszeichnung darstellen, sind diese kleinen, robusten, wendigen und mutigen Hunde doch in der Lage mit dem cleveren und wehrhaften Überlebenskünstler Ratte fertig zu werden. Die Pinscher sollten sich als „Rattler“ weitgehend selbst ernähren. Streunen durften die Stallhunde nicht, somit wurde auch auf die Eigenschaft der Reviertreue selektiert. MORGAN (1910) bezeichnet ihn allerdings als leidenschaftlichen Wilddieb. Größere, rauhaarige Pinscher spielten bei den Fuhrleuten eine wichtige Rolle. Solange der Pinscher auf dem Fuhrwerk saß, konnten die Kutscher ruhig abwesend sein. Es wagte niemand Pferd und  Wagen anzurühren (KRÄMER, 1993). Hier erfüllten Spitz und Pinscher dieselbe Funktion, für die Ausdauer und unermüdliche Wachsamkeit notwendig sind. Der offenbar weit verbreitete Gebrauchshund wurde jedoch im offiziellen Zuchtwesen um die Jahrhundertwende nicht mehr bearbeitet, da BECKMANN (1894) von dieser „zurückgebliebenen Rasse“ fast keine Exemplare mehr auf Ausstellungen sieht.  Er ruft indirekt zur Bildung eines Spezialklubs für die „am meisten vernachlässigten und mißverstandenen aller deutschen Hunderassen“, der kurz- und rauhaarigen Pinscher (Schnauzer), auf.  Selbiger Autor sieht im kurzhaarigen Pinscher jedoch keine Bedeutung als Gebrauchshund.

Heute ist der Pinscher ein anpassungsfähiger Familienhund der sowohl für aktive Stadtmenschen als auch für das Leben auf dem Bauernhof geeignet erscheint (KRÄMER, 1992). Fremde können auch heute nicht unbemerkt sein Anwesen betreten, der Pinscher schlägt an - ohne jedoch ein Kläffer zu sein. Die Jagdlust ist individuell mehr oder weniger stark ausgeprägt, ebenso die Neigung zum eigenständigen Erkunden der Gemarkung. Er ist ein sparsamer Beller, sehr aufmerksam, in der Wohnung ruhig, draußen dafür sehr temperamentvoll. Gutartiger Charakter, Spiellust, Ausdauer und Widerstandfähigkeit sprechen für seine Vielseitigkeit und machen den agilen Hund zu einem idealen Reitbegleithund, der auch im Hundesport, wie Agility, die Blicke auf sich lenkt.  

Deutscher Pinscher

Schulterhöhe: 45 – 50 cm

Gewicht:        13-18 kg, gerne etwas schwerer

Farbe:           Schwarz mit roten Abzeichen; Rot (etwa 20 % der Hunde)

                   Wurfzahlen:   von 1994 bis 2001: zwischen 140 und 203 Welpen jährlich, davon zwischen 16
                    und 49 des roten Farbschlages.

Zuchttiere:     40 Hündinnen

 

Resüme

Pinscher wie Spitze sind selbständige, selbstbewusste Persönlichkeiten. Sie brauchen den Familienanschluss und wollen überall dabei sein. Sie lernen schnell und sollen, wie andere Hunde auch, von klein auf konsequent – dabei liebevoll !! - erzogen werden. Für Aktivitäten sind sie stets zu haben. Hat der Spitz eine Aufgabe, z.B. als Bewacher des Hofes, kann er auch einmal auf seinen Spaziergang verzichten. Spitze und Pinscher sind anpassungsfähige, vielseitige und „praktische„ Rassen, die zu Unrecht vergessen werden und viele Bauernhöfe und Familien begeistern können.

Es ist zu wünschen, dass durch die Ernennung zur Gefährdeten Nutztierrasse des Jahres 2003 für diese typischen Haus- und Hofhunde wieder neues Interesse geweckt wird, das ihnen zu einer stabileren Zuchtbasis verhilft und diese Rassen langfristig sichert.  


Weitere Informationen finden Sie unter:


Rassekurzbeschreibungen Hunde

Presseinformationen zur Gefährdeten Nutztierrasse 2003

Bilder: Deutscher Pinscher

Bilder: Groß- und Mittelspitz

 


 

Kontakte:
Verein für Deutsche Spitze e.V., G. Kastl, Karl-Jasper Str. 15, 90453 Nürnberg, www.deutsche-spitze.de

Großsspitz: Christa Raddatz, Tannhöfer Allee 15, 19061 Schwerin, 0385-5571128
Mittelspitz: Irmgard Fischer, Hamwiesel 66, 24576 Bad Bramstedt, Tel: 04192-7128
Deutscher Pinscher:
Pinscher Schnauzer Klub 1895 e.V., Barmer Str. 80, 42899 Remscheid,www.psk-pinscher-schnauzer.de
Siegfried Menzel, Dammstr. 120, 33824 Werther, Tel: 05203-6258  


Geschäftsstelle (GEH) -  Tel.:  05542/1864
© Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH)

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