Die Gefährdete Nutztierrasse des Jahres 2013Leineschaf, Foto: Grothey www.eye-comm.de

Pressemitteilung 03. Dezember 2012 (Lange Version)

 


„Gefährdete Nutztierrasse des Jahres 2013 - Das Leineschaf"

 

Klaus König

 

Gefährdete Nutztierrasse

Die Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH) hat das Leineschaf im ursprünglichen Typ zur „Gefährdeten Nutztierrasse des Jahres 2013“ erklärt. Die GEH und der Thüringer Züchter Ernst Siebert aus dem Eichsfeld werden vom 18. bis 27. Januar 2013 auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin in Halle 25 eine Leineschafgruppe für die Öffentlichkeit präsentieren.

 

Entstehung der Landrasse

Bei dem Leineschaf im ursprünglichen Typ handelt es sich um eine Landschafrasse, die auf das „Rheinisches Schaf“ zurückzuführen ist, das im Jahr 1866 im Königreich Hannover mit einem Bestand von 17 % des Gesamtbestandes an Schafen vertreten war. Es gehörte zu den robusten und anspruchslosen Landrasseschlägen. Sehr früh wurden damals auch verschiedene weiße englische Schafrassen zur Verbesserung von Körperform und Fleischertrag in der Zucht eingesetzt. Ende des 19. Jahrhunderts setzte sich zunehmend im Süden der Provinz Hannover die Bezeichnung Leineschaf durch und seit 1906 existiert ein einheitliches Zuchtziel. Für eine kontinuierliche Zucht der Leineschafe wurden damals Elite- bzw. Stammherden insbesondere im Göttinger Raum eingerichtet. Das Zuchtgebiet lag flächendeckend entlang der Hügel des Leineflusses – von dem der Rassename stammt - vom thüringischen Eichsfeld über Göttingen bis Hannover. Hier beweideten die Herden der Guts- und Genossenschaftsschäfereien die hängigen Hutungen, die Wegränder und die Stoppelfelder der Ackerbaugebiete. Bis 1937 hatte sich die Population des Leineschafes in seinem Verbreitungsgebiet bis auf etwa 70.000 Tiere vergrößert.

 

Rückgang der Schafhaltung in Deutschland

Nach dem 2. Weltkrieg setzte ein starker Wandel in der Schafzucht ein. Die Intensivierung der Landwirtschaft mit dem zunehmenden Einsatz von Mineraldünger und dem gleichzeitigen Verfall der Wollpreise machten die Schafhaltung zunehmend unattraktiv. Dies führte in den Dörfern zu einer beschleunigten Aufgabe der Guts- und Genossenschaftsherden in deren Folge die Schafbestände rasant abnahmen.

In die verbliebenen Leineschafherden wurden seit Anfang der 1960-ziger Jahre in Westdeutschland Fleischschafe eingekreuzt zur Verbesserung der Schlachtkörper der Tiere. Es kam zu einer rasanten Verdrängung der verbliebenen Leineschafherden. Im Jahr 1967 erstellten daraufhin die Tierzucht der Universität Göttingen und der Landesschafzuchtverband Niedersachsen ein neues Zuchtprogramm zur weiteren Verbesserung der Leistungen des Leineschafes. Es kam zu Kombinationskreuzungen mit den fleischreicheren Texelschafen und den fruchtbareren und milchergiebigeren Ostfriesischen Milchschafen, was zu einem neuen schwereren Typ des Leineschafes in Niedersachsen führte. Dieser Typ gehört nun seit 1979 nicht mehr der Gruppe der Landschafe an, sondern wird der Gruppe der Fleischschafe (Rasseschlüssel 10) zugeordnet.

 

Aussterben der Landrassen in der DDR und Leineschaf-Importe aus Polen

Parallel zu den Entwicklungen in Niedersachsen gab es im Ostdeutschen Bezirk Erfurt, zu dem auch das Obereichsfeld gehört, im Jahr 1960 noch 33.000 Leineschafe. Wegen zu geringer Woll- und Fleischleistung und administrativen Vorgaben der SED-Zuchtleitungen zur Haltung von wirtschaftlicheren Merinorassen in den neu geschaffenen Tierzuchtkombinaten der DDR ging die Nachfrage nach Leineschafen innerhalb der 1960-ziger Jahre rapide zurück. Nur ein sehr kleiner Restbestand von nicht mehr reinrassigen Leineschafen überlebte im Erfurter Zoo. Frau Heide-Rose Thulke und der NABU Leipzig sorgten dafür, dass diese Tiere (1 Bock + 12 Muttern) 1992 zur Beweidung geschützter Biotope in Sachsen in Pension genommen wurden. Mit ihnen startete eine neue Leineschafzucht in Ostdeutschland. Zur Reproduktion verhalfen weitere Zuchttiere aus dem, bis 2002 noch in Polen vorhandenen, Leineschafbestand einer staatlichen Zuchtherde in Cerkwica bei Stettin. Die Herde in Cerkwica entstand dadurch, dass aufgrund von Kriegsreparations-zahlungen in den 1950-ziger Jahren etwa 1500 Leineschafe aus Südniedersachsen nach Polen verbracht wurden. Diese wurden dort in staatlichen Zuchtbetrieben gehalten und dienten der Verbesserung der polnischen Landeszucht.
1992 waren im verbliebenen Zuchtbetrieb Cerkwica noch 2000 Mutterschafe der ‚Rasa Leine’ im Zuchtbuch eingetragen. Diese Herde schrumpfte in der Umbruchphase des Ostblocks jedoch rapide, so dass 10 Jahre später keine Tiere mehr vorhanden waren.

Dr. Hans-Georg Thulke von der Universität Leipzig stellte Anfang der 1990-ziger Jahre die Kontakte zu dem polnischen Zuchtbetrieb in Cerkwica her. Mit Hilfe der Zuchtverbände Thüringen und Sachsen erreichten mehrere Rückimporte aus diesem Zuchtbetrieb in der Zeit von 1993 bis 1999 Deutschland. Es handelte insgesamt um 40 Zuchtböcke und 86 weibliche Jungschafe, die der Begründung von Leineschafzuchten im ursprünglichen Landrasse-Typ (Rasseschlüssel 29) in jeweiligen Bundesländern dienten. Aufgrund der geringen Anzahl polnischer Muttertiere nahmen einige Züchter vor 15 Jahren zusätzlich niedersächsische Leineschafe als Basis für die dann beginnende Erhaltungszucht mit den polnischen Vatertieren zur Hilfe.

 

Wiederansiedlung des Leineschafes im Göttinger Land

Im südlichen Niedersachsen sind auf Initiative des Göttinger Landschaftspflegeverbandes seit 1998 wieder Leineschafzuchten neu aufgebaut worden. Mittlerweile halten sechs Züchter etwa 400 Leineschafe. Als Ausgangsbasis der Zucht dienten vorrangig Thüringer Leineschafe und einige sächsische und polnische Zuchtböcke. 2005 erfolgte der letzte Import von drei Leineböcken vom verbliebenen einzigen polnischen Privatzüchter, dem Bauern Kubiak.

 

Aktuelle Tierzahlen zum Leineschaf

In Thüringen und Sachsen werden aktuell etwa 1250 Mutterschafe und 35 Böcke im Zuchtbuch geführt (Rasseschlüssel 29). Davon befinden sich ca. ¾ der Zuchttiere in nur zwei Betrieben im Nordwesten von Thüringen. Beide Bundesländer fördern die Leineschafzucht über ihre jeweiligen Richtlinien zur Erhaltung der genetischen Vielfalt in der Tierzucht.

Auch in Niedersachsen wird eine Zuchtförderung gewährt zur Erhaltung des dortigen Leineschafes (Fleischschaf – Rasseschlüssel 10). In Niedersachsen werden derzeit von 25 Züchtern noch etwa 1200 Leineschafe gehalten. Des weiteren stehen von diesem Typ Leineschaf noch ca. 100 Zuchttiere in Sachsen-Anhalt auf dem landeseigenen Versuchsbetrieb in Iden bei Stendal.

 

Steckbrief Leineschaf

Das Leineschaf im ursprünglichen Typ ist ein mittelrahmiges Schaf mit weißer, glänzender Wolle und einem langen, feinen und hornlosen Kopf. Der Kopf der Böcke ist kürzer und gröber. Das Leineschaf ist frohwüchsig, besitzt gute Muttereigenschaften und eignet sich sowohl in der Koppel- als auch in der Hütehaltung. Für ein Landschaf ist es gut bemuskelt. Weibliche Tiere wiegen heute zwischen 60–75 kg, die männlichen zwischen 90-115 kg. Das Leineschaf verfügt über eine lange Brunstsaison und die Ablammergebnisse liegen im Bereich von 140 bis 160 %.

Die Jahreswollmenge im Sortiment C beträgt 3,5-4 kg bei den Mutterschafen. Schon früher bevorzugten die Leineschafhalter als auch die örtlichen „Spinnstuben“ die charakteristisch glänzende, schlichte Wolle als besonders strapazierfähige und haltbare Sockenwolle. Neuere Ergebnisse zur Verwendung der Wolle in Teppichen bestätigen diese Aussagen.

 

Zukünftige Entwicklung

Die Zukunft des Leineschafes wird in Verbindung Erzeugung von qualitativ hochwertigem Lammfleisch und der Erhaltung einer vielgestaltigen Kulturlandschaft mit blühenden Magerrasen, Obstwiesen und Weiden gesehen. Hier können die Tiere ihre besonderen Eigenschaften als Landschaf unter Beweis stellen.

 

Foto: Grothey, www.eye-comm.de

Foto: Grothey, www.eye-comm.de

 

Kontakt:

GEH-Geschäftsstelle, Walburger Str.2, 37213 Witzenhausen, Tel: 05542-1864, Fax: 05542-72560, Email: info(at)g-e-h.de

GEH-Rassebetreuer Leineschaf, Klaus König, Wilhelm-Bendick Str. 25, 37130 Gleichen, Telefon tagsüber: 0551-5313703, Mail: hollrah(at)t-online.de, www.leinelamm.de

Landesverband Thüringer Schafzüchter e.V., Am Johannishof 3, 99085 Erfurt, Tel.: 0361-7498070, Fax: 0361-74980718, Email: lv(at)thueringer-schafzucht.de, www.thueringer-schafzucht.de

Sächsischer Schaf- und Ziegenzuchtverband e.V., Ostende 5, 04288 Leipzig, Tel: 034297-919651 oder 919 652, Fax: 034297/ 919 665, Email: sszv_leipzig(at)sszv.de, www.sszv.de

Landesschafzuchtverband Niedersachsen e.V., Johannssenstraße 10, 30159 Hannover, Tel.: 0511-32 97 77, Fax: 0511-30 04 386, Email: schafzuchtverband(at)lwk-niedersachsen.de, www.schafzucht-niedersachsen.de

Landesschafzuchtverband Sachsen-Anhalt e.V., Angerstr. 6, 06118 Halle, Telefon: 0345/52 14 941, Telefax: 0345/ 52 14 951, Email: dr.roesler(at)lkv-st.de 


 Weitere Informationen zur Gefährdeten Nutztierrasse 2013:


   Die Gefährdete Nutztierrasse des Jahres 2013 (mittellang)

 

   Die Gefährdete Nutztierrasse des Jahres 2013 (Kurz)

 

   Online-Broschüre  Das Leineschaf


 Bilder zur Gefährdeten Nutztierrasse 2013:


  Bilder vom Leineschaf


Geschäftsstelle (GEH) -  Tel.:  05542/1864
© Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH)

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